Klimaproblem ist ein Menschheitsproblem
Da die Atmosphäre und das dazugehörige Klima jeden betrifft und alle an einem Strang ziehen müssen. Verglichen mit ähnlichen, früheren Menschheitsprobleme hat es allerdings eine hohe Komplexität da über 180 Staaten sich einigen müssen.
((1)) Das Klimaproblem ist ein Menschheitsproblem mit historisch einmaligen Komplikationen: Ich will versuchen, meine These durch einen Vergleich zu erläutern. Betrachten wir zunächst ein anderes Menschheitsproblem, das auf der Prioritätenliste der Weltpolitik während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ähnlich weit oben gestanden hat wie heute das Klimaproblem für die erste Hälfte des 21  Jahrhunderts: die Verhinderung eines mit Atomwaffen ausgetragenen Konflikts im kalten Krieg   zwischen Ost und West. Auch das war  ein Menschheitsproblem. Aber es war im Vergleich betrachtet sehr viel einfacher zu lösen. Ich will auf vier Unterschiede hinweisen. 
   (a) Den Atomkrieg zu verhindern, war die Aufgabe von zwei Regierungen. In der Klimapolitik   hingegen müssen über 180 Regierungen zusammenarbeiten. Das ist nun nicht länger ein bilaterales,   sondern ein multilaterales Problem. Folglich ist mit zahlreichen oordinationsschwierigkeiten zu rechnen. Jeder einzelne souveräne Staat hat hier eine gewisse „veto power“, mit der er ein kollektives Arrangement behindern und verzögern kann. Dies ist an sich schon ein enormer Unterschied. Aber es kommt noch schlimmer. 
    (b)   Um den Atomkrieg zu verhindern, war es hinreichend, eine politisch-militärische Elite in die Lage zu versetzen, etwas nicht zu tun. Mit unserem Alltagsleben hatte das wenig zu tun. Ganz anders beim Klimaproblem. Hier geht es darum, den Lebensstil von gegenwärtig sieben Milliarden Menschen nachhaltig zu verändern. In der sozialen Dimension macht das wirklich einen kolossalen   Unterschied. Hier geht es nicht darum, dass einige wenige etwas unterlassen, sondern es geht   darum, dass Milliarden Menschen ihr je individuelles Verhalten gründlich umstellen. Die Lösung des  Klimaproblems erfordert nicht Passivität, sondern Aktivität, und dies auf breiter Front im globalen Maßstab. 
   (c) Bitte betrachten Sie nun nach der sozialen Dimension die zeitliche Dimension: Alle Beteiligten   und Betroffenen hatten ein instantanes Interesse daran, einen Atomkrieg zu vermeiden. Man suchte eine Lösung, die heute greift, morgen hält und sich dann auch in die fernere Zukunft hinein prolongieren lässt. Beim Klimaproblem dreht sich der Zeitstrahl genau um. Wir wissen, dass gravierende Probleme erst in der Zukunft auftauchen werden und müssen uns gewissermaßen abstrakt dazu motivieren, schon heute zu handeln. Ich will es formelhaft zuspitzen: Den Atomkrieg zu verhindern, war ein Kurzfristproblem. Dem Klimawandel zu begegnen, ist ein Langfristproblem.
   (d) Das Atomkriegsproblem war symmetrisch, das Klimaproblem ist asymmetrisch verursacht. Damit meine ich Folgendes: Die UDSSR und die USA hatten gleichermaßen gerüstet, und sie mussten sich gleichermaßen zum Nicht-Einsatz von Atomwaffen und zur Abrüstung bereiterklären. Das ließ sich im Prinzip ganz leicht verhandeln, nach dem Motto: do ut des. Es ging um  die  verlässliche  Kopplung  von  Leistung und Gegenleistung und um den hierfür erforderlichen Aufbau wechselseitigen Vertrauens. Im Vergleich dazu ist das Klimaproblem sehr viel schwieriger, weil es von den reichen Ländern des industrialisierten Nordens verursacht worden ist, während vornehmlich die armen Entwicklungsländer des Südens darunter zu leiden haben. Das macht es sehr viel schwieriger, die Verhandlungen für eine politische Lösung rein zukunftsorientiert zu führen. Stattdessen stehen sie im Schatten der Vergangenheit, und das sorgt für zahlreiche Komplikationen, z.B. in Form von Gerechtigkeitsfragen, mit denen die Abrüstungsverhandlungen nie beschwert worden sind.

Zwischenfazit: Im Hinblick auf diese vier Aspekte – (a) bilateral versus multilateral; (b) passive Unterlassung einiger weniger versus aktive Lebensstiländerung von Milliarden Menschen; (c) Kurzfrist- versus Langfristproblem und (d) symmetrische versus asymmetrische Verursachung – ziehe ich aus dem Vergleich zwischen dem Problem, einen Atomkrieg zu vermeiden, und dem Problem, den Herausforderungen des Klimawandels nachhaltig zu begegnen, folgenden Schluss: dass das Klimaproblem außerordentlich schwierig ist, weil es sich um ein Menschheitsproblem mit historisch einmaligen Komplikationen handelt.
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