Auf den ersten Blick nimmt sich die „Kunst der Überredung“ als eine hinterlistige Überrumpelungstaktik aus, die den Zuhörer zum Objekt ihrer Manipulationen macht. Tatsächlich jedoch erfordert die Überredung größeren Respekt vor dem Publikum als die Darlegung zwingender Beweise. „Überredung ist wertvoll, weil sie uns dazu anhält, unseren Mitbürgern Beachtung zu schenken – ihren Lebensgeschichten, Identitäten, Überzeugungen und Bedürfnissen.“ Das glaubt der an der Yale-Universität lehrende Politikwissenschaftler Bryan Garsten. „Rhetorik“ ist sein großes Thema. Garsten hat sich, als Kommentator in Tageszeitungen und in Internetmagazinen, in letzter Zeit viel damit befasst, welche Rolle „Rhetorik“ im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf spielt – etwa, wenn Hillary Clinton versucht, das rednerische Talent ihres Konkurrenten Barak Obama als Anzeichen einer bloß rednerischen Überlegenheit herabzuwürdigen und sich dem gegenüber als die ernsthaftere und sachliche kompetentere Kandidatin zu profilieren. Vor allem aber hat Garsten vor kurzem ein Buch geschrieben mit dem Titel „Saving Persuasion“– auf Deutsch etwa: „Rettet die Kunst der Überredung!“. Möglicher Weise, glaubt der Politikwissenschaftler, haben wir mit unserer ablehnenden Haltung gegenüber der Rhetorik eine Sichtweise übernommen, die für die heutige Zeit nicht mehr passend ist. Im Zeitalter Religionskriege im 16. und 17. Jahrhundert, meint Garsten, mag es sinnvoll gewesen sein, aufrührerische Prediger aus dem öffentlichen Raum zu verbannen, damit sozialer Friede einkehren kann. In dieser Zeit sei auch das unsere Kultur prägende Ideal rein-rationaler Auseinandersetzung begründet worden - durch Philosophen wie Hobbes, Rousseau und Kant, die uns auffordern, uns privater Urteile zu enthalten und stattdessen von einem unparteilichen Standpunkt aus urteilen. Heute scheint diese Rechnung nicht mehr aufzugehen. Zum einen, meint Garsten, stellen Demagogen im Zeitalter der verfassungsgebunden arbeitenden repräsentativen Demokratie, die den Streit der Meinungen institutionell gezähmt hat, keine sehr große Gefahr mehr dar. Zum anderen habe gerade unser Ideal einer rein-rationalen Argumentation, bei der persönliche Ansichten und ethische Überzeugungen außen vor bleiben, den Fanatismus etwa der Christlichen Rechten in den USA oder der islamische Fundamentalisten nur noch mehr angestachelt. |