Prinzessinnengarten, Berlin
Die Initiatoren des Prinzessinenngarten verstehen ihr Projekt als einen Bildungsgarten und als Instrument, um die Nachbarschaft in dem sozial schwachen Quartier zu stärken und zu aktivieren.

Nomadisch Grün und die Prinzessinnengärten

Seit Sommer 2009 betreiben wir von Nomadisch Grün den Prinzessinnengarten in Berlin Kreuzberg. Es handelt sich um eine soziale, ökologische und partizipative Landwirtschaft in der Stadt. Am Moritzplatz bauen wir auf einer vom Liegenschaftsfond gepachteten 6000 qm großen Fläche Gemüse in Bioqualität an. Wir arbeiten ökologisch und fördern die biologische Vielfalt, indem wir etwa alte und seltene Sorten kultivieren. Wenn wir von einer sozialen urbanen Landwirtschaft sprechen, dann meinen wir nicht nur einen lokalen und damit klimafreundlichen Anbau von frischem und gesunden Gemüse. Vielmehr verstehen wir unser alternatives städtisches Grün als einen Bildungsgarten und als Instrument, um die Nachbarschaft in dem sozial schwachen Quartier zu stärken und zu aktivieren.

Unser urbanes Grün ist ein öffentlich zugänglicher Ort, der neben der biologischen auch die kulturelle und soziale Vielfalt befördern soll. Wir veranstalten kollektive Gartenbauaktionen, an denen mehrerer hundert Interessierte und Nachbarn teilnehmen, eine “Gartensprechstunde“ und zahlreiche Bildungs- und Kulturangebote und beziehen auf diese Art die unterschiedlichen städtischen Kulturen, Milieus und Lebensformen aktiv in unseren Garten ein.

Warum sollte es nicht möglich sein, eine ungenutzte Brachfläche zu neuem urbanen Leben zu erwecken? Ein Ort, an dem ein Kreuzberger Jugendlicher, seine gärtnerisch versierte Mutter aus der ersten Migrationsgeneration, eine Professorin der Agrarwissenschaften, ein Gartenaktivist aus New York, eine junge bürgerliche Familie und eine Biobäuerin aus einem Brandenburger Hofprojekt zusammentreffen, miteinander arbeiten, voneinander lernen und gemeinsam das Selbstangebaute verspeisen, Rezepte austauschen und sich entspannen? Und der Moritzplatz soll nur ein Anfang sein. Unsere Beete sind mobil und können unabhängig vom vorgefunden Boden auch auf Hausdächern und an Wänden produktives Grün schaffen.

Kurz gesagt: was uns vorschwebt ist eine konkrete Utopie im Kleinen. Ein Versuchslabor für die nachhaltige Stadt der Zukunft.

Der Moritzplatz: wo Brache war soll Garten werden!

Über sechs Jahrzehnte dämmerte der Moritzplatz im Schatten der Mauer vor sich hin. Er gehörte vor Bombardierung und Mauerbau zu den lebendigsten Plätzen der Stadt. Danach hat es zahlreiche Planungen für seine Bebauung gegeben, von einem Autobahnkreuz bis zu einem Ost-West-Handelszentrum. Zur interessantesten gehört sicher die 1999 entwickelte Idee des Architekturbüros raumlabor, hier einen innerstädtischen Wald mit bewohnbaren Baumhäusern entstehen zu lassen. Letztlich aber gingen die Planer, die Brache blieb: eine schlafende Schönheit. 1985 rief die Kreuzberger SPD zur temporären Nutzung der Freifläche durch die Bürger auf und der spätere Berliner Bürgermeister Walter Momper pflanzte zu diesem Anlass zwei Linden, die heute hoch gewachsen den Besuchern unseres Gartencafés Schatten spenden. Viele der Anwohner erinnern sich noch an den Flohmarkt, der hier einige Jahre war, und schließlich eroberte sich die Pionierpflanzen aus Sommerflieder, Goldrute und Scheinakazie die Brache zurück.

Prinzesssinnengärten grüne Oase und konkrete Utopie

Diesen Ort, lange vergessen und zu einem reinen Transitraum abgesunken, sollen die Prinzessinnengärten zu neuem und zukunftsweisenden urbanen Leben erwecken. Wir stellen uns einem Garten vor, der Wissen und Kompetenzen vermittelt zu nachhaltigen Lebensstilen und biologischer Vielfalt, einen Garten, in dem Menschen unterschiedlichster Herkunft und Alters, aus den vielfältigen städtischen Lebensformen und Milieus zusammenfinden, sich austauschen, die Freuden der Gartenarbeit entdecken und gemeinsam entspannen. Abends sitzen wir inmitten unseres frisch bestellten urbanen Ackers, die Sonne geht hinter den Wohnblöcken der Nachbarschaft unter, die Flüsterpappeln rauschen über uns, der Duft reifer Tomaten und frischer Kräuter liegt in der Luft, wir essen die soeben geernteten Früchte unserer Arbeit und plaudern mit Nachbarn und Freunden.

Urbanes Gärtnern weltweite

Schon vor Jahren hat Robert die Idee einer urbanen Landwirtschaft von einer Kubareise mitgebracht. Hier wurde in den 90erJahren unter dem Namen „agricultura urbana“ die Not zur Tugend gemacht und der Gemüseanbau erfolgreich in die Stadt zurückgeholt. Auch in vielen anderen Städten der Welt, insbesondere in den Metropolen des Südens, wächst die Bedeutung der urbanen Landwirtschaft. Zu den bekanntesten und erfolgreichsten städtischen Gärten zählen sicherlich die seit den 70er Jahren existierenden community gardens in nordamerikanischen Städten wie New York. Und für solch ein Gärtnern in der Stadt gibt es viele gute Gründe: Aktivierung sozial schwacher Quartiere, Sicherung der Lebensmittelversorgung, Förderung der Biodiversität, Reduktion der CO2-Bilanz, Verbesserung des Mikroklimas, Verschönerung der Stadt.


Broschüre: Nomadisch Grün – Prinzessinnengarten (2010) als PDF

  • Städtische Brachen in urbane Gärten verwandeln

Stellen wir uns vor, in den Metropolen der Welt wird in naher Zukunft jede Lücke genutzt, um neues urbanes Grün sprießen zu lassen: ein Grün, das die Bewohner selber geschaffen haben, das frische und gesunde Lebensmittel hervorbringt und das die Umweltbilanz und die Lebensqualität der Städte hebt und Nachbarschaften stärkt. Wir von Nomadisch Grün fangen schon einmal an und verwandeln brachliegende Orte in urbane Landwirtschaften. Gärten sollen entstehen, die ökologisch und sozial sind, in denen gemeinschaftlich gepflanzt, gepflegt und geerntet wird. Gärten, in denen unterschiedlichste Menschen sich treffen, gemeinsam arbeiten, sich austauschen, lernen und gemeinsam neue Wege in eine Zukunft der Stadt suchen.

  • Die Prinzessinnengärten: Oase in Berlin-Kreuzberg

Das erste Pilotvorhaben von Nomadisch Grün sind die Prinzessinnengärten am Moritzplatz. Seit Sommer 2009 haben wir gemeinsam mit zahlreichen Nachbarn und freiwilligen Helfern ein 6000 qm großes ehemaliges Wertheimgelände vom Müll befreit, um hier im Zentrum Berlins unsere Vorstellung eines neuen urbanen Grüns zu erproben: Biogemüse mitten in der Stadt anbauen und gleichzeitig die Nachbarschaft stärken, nachhaltige Lebensstile näher bringen und gutes, frisches und gesundes Essen zubereiten, Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen leisten und einen Ort schaffen, an dem man mal runter kommt und sich entspannt.

  • Mobile urbane Landwirtschaft: gärtnern ohne Grenzen

Wir wollen Lücken, dort wo sie sich bieten, temporär landwirtschaftlich nutzen. Dazu haben wir aus recycelten Industriekörben ein transportables und modulares Beetsystems entwickelt. Es macht uns mobil und gleichzeitig vom Boden unabhängig. Wir können als Zwischennutzer Brachflächen, Hausdächer und Wände in Orte verwandeln, an denen Gemüse lokal und in Bioqualität wächst.

  • Ökologischer und lokaler Anbau von Vielfalt

Die Verwendung von bodenunabhängigen Kompostbeeten ermöglicht uns einen Anbau nach Biokriterien. Wir ziehen alte Sorten und seltene Kulturpflanzen. Diese Art lokalen Anbaus hat eine günstige CO2-Bilanz, verbessert das Mikroklima, erhöht die biologische Vielfalt und verschönert die Stadt. Vor allem aber: es gibt kein frischeres, gehaltvolleres Gemüse als das direkt geerntete.

  • Urban Gärtnern heißt sozial Gärtnern

Ein urbaner Garten fördert nicht nur die biologische, sondern auch die soziale und kulturelle Vielfalt. In der „Agropolis“ werden die Stadt und ihre Bewohner aktiv eingebunden. Die gemeinsame Wiederaneignung alter Kulturtechniken, wie Anbau und Verarbeitung von Gemüse, kann die unterschiedlichsten Menschen zusammenbringen und dazu beitragen, sich gegenseitig zu bereichern und voneinander zu lernen.

  • Der Garten als kultur- uns generationsübergreifender Lernort

Vieles gibt es in so einem Garten zu entdecken: alte Sorten, die Arbeit der Bienen, biologischen Anbau, gesunde und kreative Zubereitung saisonaler Produkte, bis hin zur Klimarelevanz städtischen Grüns und lokaler Nahrungsmittelproduktion. Gemeinsam wollen wir uns Kompetenzen und Wissen aneignen – das reicht von elementaren Kulturtechniken wie Gartenbau und Kochen bis hin zu Fragen der Anpassung an den Klimawandel und einer nachhaltigen Stadtentwicklung.

  • Eine Plattform für den Austausch zwischen Experten und Laien

Wie lernend laufend dazu und bleiben angewiesen auf das Wissen und die Kompetenz von Praktikern und Experten aus den Bereichen Ökolandbau, Stadtplanung, Architektur, Klimaanpassung, Kunst, Pädagogik, Gesundheit und Kulinarik. Wir wollen aus dem Garten eine Schnittstelle machen, an der Experten- und Alltagskultur aufeinander treffen und sich produktiv austauschen.

  • AgriKulturen: Gartenkunst

In unserem urbanen Garten finden Künstler und Kulturschaffende einen neuartigen Raum für Ausstellungen, Konzerte und Performances außerhalb der gängigen Institutionen; eine andere, grüne Bühne unter freiem Himmel mit einer anderen Art von vielfältigem Publikum: der Garten als Versprechen auf das gute Leben

  • Nomadisch Grün: ein soziales Unternehmen

Nomadisch Grün ist ein gemeinnütziges Unternehmen. Unser Arbeitsschwerpunkt liegt auf der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit in den Bereichen Umweltschutz, Biodiversität, Gesundheitsfürsorge, Klimaschutz und nachhaltige Stadtentwicklung. Um auch ökonomisch nachhaltig zu sein, sind wir bemüht, unsere Arbeit auf eine tragfähige wirtschaftliche Grundlage zu stellen. Zu diesem Zweck sind wir gewerblich tätig – in Form einer Gartengastronomie und der Direktvermarktung des Gemüses -, akquirieren aktiv Fördergelder für unsere Bildungs-, Jugend- und Umweltprojekte und bauen auf die Unterstützung von engagierten Privatpersonen und Unternehmen mit sozialer und ökologischer Verantwortung. In unserem Programm „TausendGrün“ kann man beispielsweise Pate für ein Gemüsebeet in unserem Garten werden und so unsere Arbeit vor Ort direkt unterstützen.

http://prinzessinnengarten.net/

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