Ressourcen werden nicht mehr aus Raum sondern aus Zeit gewonnen
Ab heute leben die Menschen ökologisch auf Pump
Ab heute leben die Menschen ökologisch auf Pump
Die Umweltorganisation Global Footprint Network hat unsere Umweltschulden bilanziert: Die Menschheit lebt demnach auf viel zu großem Fuß: Die ökologischen Ressourcen auf der Erde sind für diese Jahr bereits verbraucht. Oder anders gesagt: Die biologische Jahreskapazität, sich von den Eingriffen zu erholen, ist erschöpft.
„Es ist ein symbolischer Tag“, sagt Knirsch, dessen Organisation mit dem Global Footprint Network zusammenarbeitet. Zur ökologischen Überschuldung betont Tilmann Santarius, Referent für internationale Klima- und Energiepolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung, die Berechnungen seien auch wissenschaftlich belastbar. Hinter ihnen stehe eine ausgefeilte Methode: 1994 entwickelten der Gründer des Global Footprint Network, der Schweizer Mathis Wackernagel, und der Brite William E. Rees ein Konzept, mit dessen Hilfe sie den Einfluss des Menschen auf sein Biotop messen wollten. Sie nannten es „ökologischer Fußabdruck“.
Der ökologische Fußabdruck berechnet die produktive Fläche, die erforderlich ist, um eine Ware oder Dienstleistung bereitzustellen. Berücksichtigt wird auch die Fläche, die benötigt wird, um Abfälle aufzunehmen. Mit dem Fußabdruck kann somit der Naturbedarf eines Menschen ermittelt werden. Man kann das Konzept aber ebenso auf Städte, Staaten oder eben die gesamte Menschheit anwenden.
Der Tag der ökologischen Überschuldung ergibt sich dann - vereinfacht ausgedrückt -, indem man die Menge an Biokapazität, die die Erde in einem Jahr produziert, dem ökologischen Fußabdruck der Menschheit gegenüberstellt. Nach Angaben des Global Footprint Networks erkannte Wackernagel bei seinen Studien: Die Menschheit hat im Jahr 1986 eine Schwelle überschritten. Seitdem verbraucht sie mehr Ressourcen, als die Erde hergibt. Und der Raubbau beschleunige sich. Entsprechend trete der „Tag der ökologischen Überschuldung“ jedes Jahr früher ein – mit Ausnahme dieses Jahres. Für 2008 hatte das Global Footprint Network noch den 23. September errechnet.
Der etwas spätere Zeitpunkt in diesem Jahr liegt an der Wirtschaftskrise, wie Greenpeace-Experte Knirsch erklärt. Grundsätzlich habe sich aber nichts geändert: „Wir handeln, als hätten wir 1,4 Erden und nicht nur eine“, kritisiert er. Bei einem Unternehmen, das tief in den roten Zahlen stecke, würden Kosten eingespart, um eine Insolvenz zu verhindern. „Genauso müssten wir mit dem Naturkapital der Erde verfahren: Der Verbrauch an natürlichen Ressourcen muss verringert werden, bevor es zu spät ist.“ Die Diagnose ist für Knirsch klar: „Ursache für die ökologische Überschuldung sind unsere Wirtschaftsweise und ein Konsumverhalten, das auf Umwelt und Klima wenig Rücksicht nimmt."
„Die Menschheit hat das Maßhalten verlernt“, sagt auch Christa Liedtke vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Sie entwirft Strategien für nachhaltigere Produktions- und Konsummuster. „Gerade jetzt in der Krise hätten wir die Möglichkeit, die Wirtschaft intelligent umzugestalten“, sagt Liedtke. Die Chancen dafür sieht sie eher positiv.
Eine Betrachtung, der sich Tilman Santarius von der Böll-Stiftung nicht anschließen möchte. Das Wissen sei zwar da – aber zum einen sei Nachhaltigkeit der eher kurzfristig denkenden Politik ganz allgemein schwer vermittelbar, zum anderen stünden mächtige Interessen einer Wende entgegen. Diese Interessen würden momentan eher gestärkt. Plötzlich lebe der Scheinkonflikt zwischen Ökologie und Ökonomie wieder auf, sagt Santarius. „Die Finanzkrise wirkt sich da negativ aus.“
Weiterführende Informationen im Internet: http://footprintnetwork.org
Artikel aus Welt Online vom 25.09.2009, http://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article4618783/Ab-heute-leben-die-Menschen-oekologisch-auf-Pump.html