Klimawandel löst den Gesellschaftsvertrag auf
"Wenn wir nicht entschieden, schnell und gemeinsam handeln, riskieren wir, künftige Generationen einer unabänderlichen Katastrophe auszuliefern." (Barack Obama)
UN-Klimagipfel in New York
"Die Geschichte dürfte uns keine bessere Chance mehr bieten." So beschrieb UN-Generalsekretär Ban Ki-moon am 22. September bei der Eröffnung des UN-Gipfels über den Klimawandel in New York die Herausforderung, vor der die internationale Politik kurz vor der internationalen Klimakonferenz in Kopenhagen steht. An dem UN-Gipfeltreffen in New York nahmen fast 100 Staats- und Regierungschefs teil. Ban Ki-moon betonte in seiner Eröffnungsrede die Notwendigkeit der Begrenzung des Klimawandels: "Angesichts der ständig steigenden Treibhausgase werden wir den kritischen Grenzwert bald erreicht haben". Ban Ki-moon warnte vor den Folgen eines ungebremsten Klimawandels: "Die Konsequenzen werden auf jedem Kontinent zu spüren sein." Der UN-Generalsekretär forderte die Industrieländer auf, den ersten Schritt zu tun. Danach sollten sie den ärmeren Ländern mit "substanziellen Finanzspritzen" und technischer Unterstützung helfen, ihnen zu folgen.
Rede des US-Präsidenten löst unterschiedliche Reaktionen aus
"Unser Wohlstand, unsere Gesundheit und unsere Sicherheit sind in Gefahr", sagte US-Präsident Barack Obama in seiner mit Spannung erwarteten Rede am UN-Klimagipfel. "Keine Nation, egal ob groß oder klein, arm oder reich, kann den Folgen des Klimawandels entgehen." Obama rief deshalb die politischen Führer aus aller Welt auf, die Bedrohung der Menschheit durch den Klimawandel ernst zu nehmen: "Unsere Generation wird sich mit ihrer Reaktion auf diese Herausforderung vor der Geschichte verantworten müssen." Obama warnte: "Wenn wir nicht entschieden, schnell und gemeinsam handeln, riskieren wir, künftige Generationen einer unabänderlichen Katastrophe auszuliefern." Die Zeit, diese Entwicklung umzukehren, laufe aus.
Von Berlin aus begrüßte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Rede Obamas und sagte, Deutschland sei bereit, "finanzielle Zusagen zu machen für die Hilfe an Entwicklungs- und Schwellenländer, um dem Klimawandel zu begegnen". Sie forderte gleichzeitig eine zügige Beratung der Gesetze zum Klimaschutz im US-Senat. Nur dann könne in Kopenhagen über konkrete Klimaschutzziele verhandelt werden.
"Obamas Rede ist unterhalb der Erwartungen geblieben", sagte Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Gabriel zeigte Verständnis für Obamas innenpolitische Situation, forderte aber neue Initiativen der USA: "Die Amerikaner sagen, ihr könnt uns ja verhauen, wir schaffen nicht mehr, wir schaffen nicht aufzuholen, was Bush verdorben hat. Da sagen wir: Okay, akzeptieren wir, nur sagt uns dann, wie die Aufholjagd weiterzugehen hat, und da müssen die Amerikaner konkreter werden."
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace nannte laut Spiegel Online die Rede des US-Präsidenten "sehr, sehr enttäuschend". Es sei eher ein Schritt zurück als nach vorn, kritisierte der Klima-Koordinator der Organisation, Thomas Henningsen. Im Gegensatz zu Japan und anderen Nationen habe Obama keine konkreten Maßnahmen genannt.
China sagt geringeren CO2-Ausstoß zu
Der chinesische Staatspräsident Hu Jintao sagte verstärkte Anstrengungen seines Landes zum Klimaschutz zu. Er kündigte an, China wolle den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 "spürbar" unter die Werte des Jahres 2005 drücken. Im selben Zeitraum solle der Anteil nicht-fossiler Brennstoffe am Primärenergieverbrauch auf etwa 15 Prozent erhöht werden. Außerdem will China Energiesparmaßnahmen vorantreiben, die Aufforstung verstärken und eine grüne, umweltfreundliche Wirtschaft in Gang bringen.
Hu Jintao betonte, die Bemühungen um einen weltweiten Klimaschutz sollten für Industrie- und Schwellenländer gleichermaßen Vorteile bringen: "Die Schwellenländer sollten nicht gedrängt werden, Verpflichtungen zu übernehmen, die ihren Entwicklungsstand, ihre Verantwortung und Fähigkeiten übersteigen."
Der US-Klimabeauftragte Todd Stern äußerte nach der Ansprache des chinesischen Staatspräsidenten, die Ankündigungen Hus könnten hilfreich sein, "es kommt auf die Zahlen an". Der Vorstoß Chinas wird als Versuch gesehen, Kritik zu entkräften, wonach die Volksrepublik nicht genug für den Klimaschutz unternimmt. Die USA und China sind für den Ausstoß von etwa 40 Prozent der weltweiten Treibhausgase verantwortlich.
Bundeskanzlerin Merkel: Emissionen und Wirtschaftswachstum entkoppeln
Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ sich beim UN-Gipfel von Umweltminister Sigmar Gabriel vertreten. Sie kündigte an, das Thema Klimaschutz beim Finanzgipfel der G-20-Staaten in Pittsburgh einige Tage nach dem New Yorker Treffen anzusprechen: "Europa wird drängen. Deutschland ist an der vordersten Front in der Europäischen Union mit dabei." Die Kanzlerin fügte hinzu: "Wir sind auch bereit, finanzielle Zusagen zu machen für die Hilfe an Entwicklungs- und Schwellenländer, um dem Klimawandel zu begegnen." Allerdings müssten diese Länder ihrerseits auch Klimaschutzverpflichtungen eingehen. Bundeskanzlerin Merkel sagte in einem Video, das am Abend zum UN-Treffen übermittelt wurde: "Verantwortung für den Klimaschutz bedeutet, Emissionen zunehmend vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln." Dass die Kanzlerin sich beim Klimagipfel durch den Umweltminister vertreten ließ, hatte in Deutschland zu Diskussionen geführt. "Offensichtlich ist Bundeskanzlerin Merkel der Wahlkampf wichtiger", kritisierte der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe. Die Grünen warfen Merkel vor, die Führungsrolle Deutschlands in Klimafragen zu verspielen.
Bilanz des Gipfels
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat ein positives Resümee des eintägigen Klimagipfels von New York gezogen. Das Treffen sei zwar keine Garantie dafür, dass auf der internationalen Klimakonferenz in Kopenhagen ein Abkommen erzielt werde, "aber wir sind diesem globalen Ziel heute sicherlich einen Schritt näher gekommen".
Ban erläuterte, das Vertrauen und die Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Schwellenländern sei gestärkt worden. Das ist besonders wichtig, da die Finanzierung der Klimaschutz-Bemühungen vor allem in den Entwicklungsländern in einem neuen Klimaabkommen nach wie vor umstritten ist. Ban sagte, er habe bei dem Treffen viele gute Pläne und Initiativen gesehen und trotz enttäuschter Äußerungen vieler Beobachter auch einige konkrete Zusagen gehört: "Japans neuer Premier hat zugesagt, die Treibhausgase bis 2020 um ein Viertel zu reduzieren. Die Europäische Union hat ihr 20 Prozent-Ziel bestätigt und ist sogar zu 30 Prozent bereit. Länder wie China und Indien haben deutliche Maßnahmen versprochen. Das alles ist bedeutend." Das Resümee des UN-Generalsekretärs: "Ohne das heutige Treffen würde es die Welt nicht über die Ziellinie in Kopenhagen schaffen."
Umweltminister Sigmar Gabriel vertrat am Ende des Treffens die Auffassung, dass der Gipfel ein dringend notwendiger Schritt war, fügte aber hinzu: "Wir müssen offen sagen, dass bei den Klimaverhandlungen in Kopenhagen die Gefahr des Scheiterns besteht, und dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen gut daran getan hat, die Staats- und Regierungschefs nach New York einzuladen. Denn es wird nichts werden, ohne dass sie sich massiv in die Verhandlungen einmischen." Gabriel forderte ein weiteres Spitzentreffen der G-20 noch vor der Konferenz von Kopenhagen. "Es ist ein Fehler, dass sich die G-20 praktisch nur auf das Weltfinanzsystem konzentrieren und sich immer nur am Rande in salbungsvollen Reden mit dem Klimathema befassen."
David Waskow, Sprecher der Hilfsorganisation Oxfam, sagte: "Wir haben viel Dringlichkeit in den Worten der Führenden der Welt gehört. Aber es bleibt abzuwarten, ob Taten folgen." Die Menschen, die unter Hunger, Dürre oder Überschwemmungen litten, würden "nicht durch warme Worte gerettet, sondern nur durch Taten". Das geplante Weltklimaabkommen dürfe nicht scheitern: "Alle Augen sind nun auf Kopenhagen gerichtet – dort darf es kein Scheitern geben."
WWF-Klimaexpertin Regine Günther erklärte nach dem Ende des Gipfeltreffens: "Jetzt müssen den Worten auch Taten folgen. Wir brauchen nach wie vor konkrete Maßnahmen, Reduzierungsziele und Finanzierungszusagen." Nach Ansicht des WWF müsse den Entwicklungs- und Schwellenländern für Klimaschutz, die Anpassung an den Klimawandel sowie den Schutz der Wälder finanzielle Unterstützung in Höhe von 110 Mrd. Euro jährlich zugesagt werden. "Insbesondere Deutschland darf bei der Frage der Finanzierung nicht weiter auf der Bremse stehen", so Regine Günther.
Mehr Beachtung fordern die kleineren Länder der Welt, die sich auch in New York mit warnenden Stimmen zu Wort meldeten. "Wir können Kopenhagen nicht zu einem Selbstmordpakt werden lassen!", rief der Präsident der Malediven, Mohamed Nasheed, der Versammlung zu. Die 400.000 Einwohner seiner Heimat sind durch steigenden Meeresspiegel und immer stärkere Stürme droht zu versinken, wenn keine konkreten Maßnahmen die globale Erwärmung stoppen. Die Dringlichkeit zu handeln, betonte in New York auch der IPCC-Vorsitzende Rajendra Pachauri: "Wenn wir nicht rechtzeitig handeln, werden wir zu Führern und Bürgern gescheiterter Staaten." (Frank Kürschner-Pelkmann)
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