Welche der Nationen erklärt sich bereit die Kosten zu tragen?
Alleingänge sind nicht zu rechtfertigen Die Kosten sind vor allem dann nicht zu rechtfertigen, wenn Klimaschutz im Alleingang betrieben wird.
Die Kosten des Klimaschutzes
Klimaschutz kostet viel Geld. Deshalb wird auf der Klimakonferenz in Kopenhagen so zäh über eine Reduktion der Treibhausgase verhandelt. Mit den richtigen Instrumenten ist Klimaschutz billiger zu haben.
Von Lisa Becker
Zwei Grad sollen den Ausschlag geben?
07. Dezember 2009
Immer wieder ist zu hören, dass Klimaschutz kaum etwas kostet und sich über geringere Energiekosten weitgehend selbst finanziert. Vor allem Politiker und Umweltaktivisten behaupten das. Ökonomen hingegen betonen, dass der Klimaschutz hohe Kosten verursacht. Dabei fassen sie den Kostenbegriff nicht nur monetär. Sie erklären, dass Menschen, bevor sie ihren Energieverbrauch verringern, nicht nur auf das Geld schauen, das sie dadurch sparen. Sie wägen – bewusst oder unbewusst – den Aufwand, den sie dafür treiben müssen, und den Nutzen, der ihnen durch einen Wandel ihrer Lebensweise entgeht, gegen die gesparten Energiekosten ab.
Das zeigt das Beispiel der Stand-by-Schaltungen. Ein durchschnittlicher Haushalt spart 80 Euro im Jahr, wenn er immer darauf achtet, Geräte auszuschalten, statt sie im Stand-by-Modus laufen zu lassen. Dennoch ist der Stand-by-Modus allgegenwärtig. Die Ersparnis erscheint vielen offenbar zu gering verglichen mit dem Aufwand, an das Abschalten der Geräte zu denken. Wollte der klimaschützende Staat erreichen, dass die Menschen ihre Geräte vollständig ausschalten, könnte er ihnen Steckdosenleisten schenken, die den Aufwand des Ausschaltens stark verringern. Das kostete allerdings öffentliches Geld – und zeigt, dass selbst ein Klimaschutz, der sich durch geringere Energiekosten vermeintlich selbst finanziert, nicht umsonst zu haben ist.
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Für im Wettbewerb stehende Unternehmen gilt freilich, dass sie viel mehr als private Haushalte auf ihre Kosten achten. Wenn sich eine Investition durch sinkende Energiekosten finanziert, wird sie in der Regel auch verwirklicht. Wenn Unternehmen ihren Energieverbrauch also nicht verringern, lohnen sich solche Maßnahmen zumindest betriebswirtschaftlich offenbar nicht. Hält der Staat sie aus Klimaschutzgründen aber dazu an, weniger Energie zu verbrauchen, kostet das Geld – entweder das Geld der Unternehmen oder im Fall von öffentlicher Förderung Steuergeld.
Für Entwicklungsländer besonders heikel
Dass Klimaschutz richtig Geld kostet, wird schon daran deutlich, dass derzeit die Staaten der Welt auf der Klimakonferenz in Kopenhagen zäh darüber verhandeln, wer seine Treibhausgas-Emissionen um wie viel verringern soll. Dass sich kein Land im Alleingang dazu verpflichtet, seinen Ausstoß radikal zu senken, liegt zum einen an den absoluten Kosten des Klimaschutzes. Es hat aber auch damit zu tun, dass jede Tonne, die ein Land mehr als andere sparen muss, den anderen Kosten- und damit Wettbewerbsvorteile verschafft.
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Für Länder, die gerade dabei sind, sich wirtschaftlich zu entwickeln, ist Klimaschutz besonders heikel. Zwar sind angesichts einer technisch wenig fortschrittlichen Produktionsweise Investitionen in den Klimaschutz besonders günstig; die Vermeidung einer Tonne Kohlendioxid ist billiger als in einem Industrieland, in dem schon mit relativ sauberer Technik produziert wird. Allerdings können sich die Entwicklungs- und Schwellenländer selbst diesen Schritt kaum leisten, weil zu viel Armut herrscht. Klimaökonomen fordern deshalb, dass die Industrieländer den ärmeren Ländern die Klimaschutzmaßnahmen bezahlen sollen.
Für die Industrieländer wäre eine Verringerung der Treibhausgase – es geht vor allem um Kohlendioxid – zwar besser zu verkraften; doch auch auf sie kämen beträchtliche Kosten zu. Denn immerhin müssten sie, wenn bis zum Jahr 2050 der Temperaturanstieg gegenüber der vorindustriellen Zeit auf 2 Grad begrenzt werden soll, ihren Ausstoß an Treibhausgasen bis dahin um 80 bis 90 Prozent senken. Das bedeutet den fast vollständigen Ausstieg aus der Kohlenstoffwirtschaft.
Alleingänge sind nicht zu rechtfertigen
Die Kosten sind vor allem dann nicht zu rechtfertigen, wenn Klimaschutz im Alleingang betrieben wird. Wenn nur einige Industrieländer ihre Treibhausgase reduzieren, während Schwellenländer wie China und Indien ihre Emissionen kräftig steigern, dann steht dem vielen Geld, das sie dafür ausgeben, nur eine geringe Wirkung auf das Weltklima gegenüber. Das gilt auch deshalb, weil sich ein Teil der Industrien, die im globalen Wettbewerb stehen, in Länder ohne Verpflichtungen verlagert.
Der Münchener Ökonom Hans-Werner Sinn weist noch auf einen anderen Effekt der Treibhausgas-Reduktion hin, der sie wirkungslos werden lässt, sobald sie nur von einigen Ländern betrieben wird: Er erläutert, dass eine geringere Nachfrage nach Öl, Gas und Kohle für deren Eigentümer wie eine Enteignung wirke. Bei einem möglichen Erfolg der Klimaverhandlungen fürchten sie, in der Zukunft noch stärker enteignet zu werden. Deshalb versuchten sie in der Gegenwart so viel zu fördern und zu verkaufen, wie sie nur könnten. Und die Länder, die sich nicht zur Reduktion verpflichtet haben, kaufen die billiger gewordenen Rohstoffe nur allzu gerne – um ihre eigene wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben.
Kosten des Klimaschutzes sind schwer zu berechnen
Zu den Kosten des Klimaschutzes sind schon einige Berechnungen angestellt worden. Sie sind allerdings mit Vorsicht zu betrachten – zu komplex und deshalb mit großer Unsicherheit behaftet sind die wirtschaftlichen, technischen und klimatischen Zusammenhänge. Deshalb liegen die Schätzungen zum Teil weit auseinander. Auf relativ hohe Kosten kommt der Klimaökonom von der London School of Economics, Nicholas Stern. In dem berühmt gewordenen „Stern Review“ von 2006 hatte er Kosten von jährlich einem Prozent der globalen Wirtschaftsleistung errechnet, um das Klima mit einiger Wahrscheinlichkeit stabil zu halten. Dann stiege die Treibhausgaskonzentration auf höchstens 550 ppm (parts per million). Diesen Wert erachtet Stern inzwischen als zu gefährlich. Er fordert, die Konzentration unter 500 ppm zu halten. Damit werde ein Temperaturanstieg mit „desaströsen“ Auswirkungen sehr unwahrscheinlich, meint der Forscher. Das koste allerdings jedes Jahr 2 Prozent des internationalen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Doch lägen diese Kosten deutlich unter den geschätzten Kosten von mindestens 5 Prozent der Wirtschaftsleistung, die ein ungebremster Klimawandel verschlänge. Stern verschweigt nicht, dass 2 Prozent des BIP im Jahr kein Pappenstiel sind. Die Europäische Union hingegen hat jährliche Klimaschutzkosten von „nur“ 175 Milliarden Euro ausgerechnet. Davon sollten 100 Milliarden Euro in den Entwicklungsländern investiert werden. Die Vereinten Nationen wiederum schätzen, dass die Entwicklungsländer 500 Milliarden Euro im Jahr aufwenden müssten, um angemessen in den Klimaschutz und in Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel investieren zu können.
Die Kosten können jedoch noch viel höher liegen. Zum einen vermuten Ökonomen, dass der Aufwand umso größer sein wird, je später die Politik Maßnahmen ergreift. Dann werde es kostspieliger, rasch aus den „schmutzigen“ Techniken auszusteigen. Zum anderen schnellen nach ihrer Analyse die Kosten nach oben, wenn die Politik nicht die Maßnahmen verwirklicht, mit denen eine Tonne Kohlendioxid zu möglichst geringen Kosten vermieden wird.
Viele Maßnahmen kosten viel und bringen wenig
Die bisherige Umweltpolitik in Europa und Deutschland gibt allerdings wenig Anlass zu der Hoffnung, dass die Politik Klimaschutz besonders kostengünstig betreibt. Umweltökonomen beklagen, dass viele Maßnahmen viel kosten und für das Klima wenig bringen. Einige Maßnahmen seien sogar völlig überflüssig, zum Beispiel die teure Förderung der erneuerbaren Energien durch das Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG). Diese Kritik ist plausibel, weil die Menge an Kohlendioxid, welche die energieerzeugende Wirtschaft in Deutschland ausstoßen darf, einzig durch den Europäischen Emissionshandel festgelegt wird.
Insgesamt gilt der Emissionshandel vielen Ökonomen als das Instrument, das Umweltziele am kostengünstigsten erreicht. Die Unternehmen dürfen nur emittieren, wenn sie entsprechende Zertifikate besitzen. Anhand des Preises für die Zertifikate kann jedes Unternehmen kalkulieren, ob es billiger ist, durch neue Techniken seinen Ausstoß zu verringern und die Zertifikate, die dadurch frei werden, zu verkaufen, oder ob es günstiger ist, Zertifikate einzulösen und zu emittieren. Weil sich die Unternehmen unterschiedlich entscheiden, entsteht ein Handel mit den Zertifikaten, und die Emissionen werden dort vermieden, wo es am billigsten ist. Besonders günstig wird die Vermeidung dann, wenn Reduktionsverpflichtungen auch in weniger entwickelten Ländern erfüllt werden dürfen.
Die marktnahe Mechanik des Emissionshandels fasziniert. In der Praxis funktioniert er allerdings nicht ganz so reibungslos. Denn auch der Zertifikatehandel kommt ohne politischen Einfluss nicht aus. So legt die Politik die Menge an Kohlendioxid fest, die insgesamt ausgestoßen werden darf. Auch entscheidet sie über die Verteilung der Emissionsrechte zu Beginn des Handels.
Ein schon etablierter Emissionshandel ist das Europäische Emissionshandelssystem. Es ist das bisher größte Treibhausgas-Handelsprogramm auf der Welt und wurde von der EU 2005 eingerichtet. Für die erste Handelsperiode, die bis 2007 dauerte, wurden so viele Zertifikate zugeteilt, dass ihre Menge die tatsächlichen Emissionen überschritt. In der zweiten Periode von 2008 bis 2012 wurde die Emissionsmenge um 10 Prozent gesenkt. Nach Angaben der staatlichen KfW-Bank ist der Kohlendioxidausstoß bisher gesunken. Allerdings sei das weniger der Anreizwirkung des Emissionshandels zu verdanken als der Wirtschaftskrise.
Miderungsziele nicht für einen langen Zeitraum bekannt
Ein großes Problem des Europäischen Emissionshandels sieht die KfW darin, dass die Minderungsziele und die Zuteilung der Zertifikate nicht für einen langen Zeitraum bekannt sind. Deshalb warteten Unternehmen mit ihren Investitionen ab. Eine andere Frage, über die schon oft gestritten wurde, ist, ob die Zertifikate kostenlos zugeteilt werden sollen oder ob sie versteigert werden sollen. Das hat freilich keine Auswirkungen auf das ökologische Ziel, das durch die Festlegung der Höchstmenge definiert wird.
Eine Auktion vermeidet ein Hauen und Stechen der Lobbyisten, und es erhalten die Emittenten die Zertifikate, die sie am dringendsten brauchen. Das ist kostengünstig. Andererseits dürfen Unternehmen, die stark im Wettbewerb mit Unternehmen aus Ländern ohne Emissionshandel stehen, nicht zu sehr belastet werden. Zu befürchten ist außerdem, dass der Staat mit den Erlösen aus der Versteigerung wenig sinnvoll umgeht. Dass im Rahmen des Emissionshandels die Industrieländer ihre Reduktionsverpflichtungen auch in den Entwicklungsländern verwirklichen dürfen, scheint sinnvoll. Doch schon fragen Kritiker, ob es möglich und nicht zu aufwendig ist, die Umweltwirkung solcher Projekte zu überprüfen.
All das zeigt, dass eine effektive und kostengünstige Politik zum Schutze des Klimas eine äußerst schwierige Aufgabe ist. Es ist aber wichtig, dass die Vermeidung einer jeden Tonne Treibhausgas nicht zu teuer erkauft wird. Ansonsten wird die Bevölkerung nicht allzu viel Klimaschutz akzeptieren.
Text: F.A.Z.